fredag, april 10, 2020

Nachrichten, 10. April

Schweden - Politik
Nach einer Meinungsumfrage des Instituts Sifo, die im Auftrag der Göteborg Posten und dem Svenska Dagbladet erstellt wurde, gewannen die Sozialdemokraten innerhalb einer Monats 6,8 Prozent der schwedischen Wähler zurück und landen nun bei einer Unterstützung von über 30 Prozent, liegen also wieder bei einer Höhe, die sie vor fünf Jahren letztmals hatten. Gleichzeitig verloren die Schwedendemokraten als zweitgrößte Partei einen Teil Wähler und liegen nun bei 19,5 Prozent an Wählerunterstützung. Ob die Sozialdemokraten diese Menge an Wählern behalten können, wird allerdings erst die weitere Entwicklung des Coronavirus zeigen.

Schweden - Politik
Ostern und die entsprechende Wärme, verbunden mit Ferien und Urlaub, bedeutet für die Mehrheit der Schweden in die Ferienhäuser zu fahren, die Sonne zu genießen, und natürlich in Gruppen auf den Terrassen von Restaurants und Kneipen zu essen und zu trinken, was zwangsweise zu einem Gedränge und größeren Volkssammlungen führt. Nachdem auch die Mehrheit der Restaurantbesitzer sich nicht um die Bestimmung kümmern maximal 50 Personen zu akzeptieren und den gesetzlich vorgeschriebenen Abstand zwischen den Gästen nicht durchsetzen, haben Regierung und Gesundheitsamt nun Kontrollen während der Feiertage angekündigt und wollen Kneipen und Restaurants, die sich nicht an die Bestimmungen halten, unmittelbar schließen.

Schweden - Wirtschaft
Nach den Zahlen des Branchenverband Svensk Handel ging der Verkauf von Schuhen im März, verglichen mit dem gleichen Monat des Vorjahres, um 47 Prozent zurück und der Verkauf von Kleidung um 39 Prozent, ein Einbruch, der in der Geschichte des schwedischen Handels noch nie der Fall war. Da die Kosten der Geschäfte weiterlaufen, ist das aktuelle Krisenpaket der Regierung völlig unzureichend um die Mehrheit dieser Händler zu retten, aber noch hat die Regierung zusätzliche Hilfen angekündigt, die möglicherweise den betroffenen Geschäftssparten helfen können.

Schweden - Gesundheit
Nachdem sich bereits in Stockholm der Covid-19 sehr stark in Alters- und Pflegeheimen festsetzte, zeigt sich nun die gleiche Entwicklung auch im Västra Götaland, wo man bereits in rund 40 dieser Einrichtungen den Coronavirus nachweisen kann, da auch hier die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichten. Besonders betroffen davon ist natürlich der Großraum Göteborg. In diesem Rahmen ist allerdings auch zu bedenken, dass im Gesundheitswesen Schwedens bereits die Anweisung zirkuliert Personen über 80 Jahren und Personen ab 60, die schwere Krankheiten haben, nur noch dann auf die Intensivstation zu legen wenn dort genügend Betten frei sind, sie jedoch auf keinen Fall vorzuziehen.

Weitere Information stehen der Presse unter Pressedienste und Presseinformationen zur Verfügung.

Copyright: Herbert Kårlin

4 kommentarer:

  1. Seit Jahren verfolge ich eure Beiträge, ich finde sie interessant und hilfreich die Schweden zu verstehen.
    Aber die Information über die Behandlung der Älteren im Zusammenhang mit Covid 19 bestürzt mich. Schweden wird als weltoffenes und Hochtechnisiertes Land und Volk gepriesen aber diese Debatte entspricht eher einem Entwicklungsland. Ich bin Einfach nur entsetzt. Warum sucht man nicht die Hilfe und Unterstützung der europäischen Nachbarn? Wieso können solche Politiker und "Staatsepidemologen" noch in Amt und Würden sein?
    DER WERT EINER GESELLSCHAFT BEMISST SICH AN IHREM UMGANG MIT DEN SCHWACHEN

    SvaraRadera
    Svar
    1. Zwischen dem deutschen und dem schwedischen Gesundheitssystem lagen auch schon vor Corona Welten.
      Wie glücklich man über seinen Hausarzt, Facharzt und die angeblich zu vielen Krankenhausbetten sein kann, weiß man erst, wenn man versucht hat einen Termin in der vårdcentral zu vereinbaren.
      In Zeiten von Corona ist der Mangel an Intensivbetten für Alte und Kranke lebensbedrohend. Die Sterberate in Schweden ist sehr hoch, gesetzliche Ausgehbeschränkungen werden wohl nicht mehr kommen. Unser schwedischer Freund rechtfertigt die Auswahl der Patienten damit, dass die Alten und Kranken nach Corona sowieso nicht mehr auf die Beine kämen. Man könnte es aber wenigsten versuchen.

      Radera
    2. Sicher gibt es zwischen dem deutschen und dem schwedischen Gesundheitssystem sehr große Unterschiede, aber früher funktionierte das schwedische System sehr gut, bis Politiker anfingen hierbei zu sparen. Andererseits muss ich natürlich sagen, dass es in jedem Land Europas große Unterschiede im Gesundheitssystem gibt. Ich habe in mehreren Ländern gelebt und mein letzter Wohnsitz, vor Schweden, lag bei Barcelona. Ich bin wirklich froh im Moment nicht dort zu leben, denn die Krankenzentralen in Spanien, und das dortige Sozialsystem sind eine einzige Katastrophe.
      Dass die Sterberate hier so hoch ist, liegt natürlich nicht nur daran, dass der Virus über 40 Altersheime Stockholms eroberte, sondern auch daran, dass sehr viele Schweden auf ihre Ferien und Feste nicht verzichten wollen. Als der Virus hier bereits angekommen war, hat ein 60jähriger in Stockholm zu einer großen Geburtstagsfeier eingeladen. Unter den über 100 Gästen waren auch einige, die bereits einen „Schnupfen“ hatten und, nach Rat des Gesundheitsamt das Haus nicht verlassen sollten. Das Ergebnis war, dass über 70 der Gäste innerhalb einer Woche an Corona erkrankten und der Gastgeber künstlich beatmet werden musste. Die rund 70 Gäste verteilten sich in Stockholm und haben in der Zeit, bis sie selbst, teilweise sehr schwer erkrankten, über 500 weiter Freunde angesteckt …
      Und wenn Du glaubst, dass man in Westschweden nun die Osterfeuer einstellte, so kannst Du das ebenfalls vergessen, obwohl sich dort teilweise weit über 200 Personen treffen um zu feiern. Die Restaurants auf den Schären sind voll mit Gästen, viele davon aus Stockholm, und die ältere Bevölkerung, also diejenigen, die dauerhaft auf den Inseln wohnen, müssen sich in ihren Häusern verstecken. Natürlich war das zu erwarten, aber mit einer Regierung, die nur Empfehlungen verteilt und tausend Fachkräften, die sich großteils widersprechen, ist natürlich auch nichts anderes zu erwarten.
      Und was die ältere Bevölkerung betrifft, so ist es, statistisch gesehen, natürlich richtig, dass die Chance hoch ist, dass ein 80jähriger den Corona nicht überlegt, oder einige Monate später an einer anderen Krankheit stirbt. Nur darf dies, meiner Meinung nach, kein Kriterium sein, denn vielleicht wird der 80jährige gerettet und lebt dann weitere 15 Jahre lang, während der 35jährige auf der Intensivstation bereits nach einer Woche stirbt. Ich habe heute erfahren dass in Deutschland das gleiche Prinzip gilt, aber mich wundert dies nicht mehr, da für die Politiker unserer Zeit ein Menschenleben schon lange keine Rolle mehr spielt. Auch die Generation der selbstfahrenden Autos wird so programmiert dass man mit Toten rechnet, die nach einer statistischen Lebenslänge oder Überlebenschance ausgewählt werden, bei Massenunfällen auf der Straße gibt es ebenfalls die Empfehlung des Vorrangs und damit die Aussage wer unter den vielen Verletzten auf der Straße sterben soll. Unsere Gesellschaft hat sich leider entmenschlicht, und ich fürchte, viele werden auch aus dem Corona nichts gelernt haben.

      Radera
  2. Ich weiss nicht ob eine ähnliche Altersdiskriminierung auch in anderen Ländern existiert oder nicht. In diesem Fall geriet nur ein internes Dokument an die Öffentlichkeit, das eigentlich nie in die Presse geraten sollte, aber vermutlich war ein Arzt oder eine Krankenschwester so schockiert darüber dass sie diese Information einfach weitergeben wollte. Der Chefarzt der Universitätsklinik in Stockholm ist jetzt etwas am Verzweifeln und versucht durch Interviews den Schaden zu begrenzen.
    Zum anderen hat sich Schweden seit Ende der 80er Jahre immer weiter vom Sozialstaat entfernt, leider. Viele Pensionäre können sich heute keine Zahnbehandlung mehr leisten, keine Reise, nichts, wobei insbesondere Frauen dabei benachteiligt sind, denn wer keine 40 Jahre in gut bezahlter Anstellung Vollzeit arbeitete, erhält nur die Minimalrente, die kaum zum Überleben reicht. Leider gehen solche Informationen nur selten in andere Länder, sondern man will Schweden immer noch den Stempel eines Sozialstaats aufdrücken und vergisst dabei dass dieses Idealbild, das in den 70er und 80er Jahren seinen Höhepunkt hatte, heute nicht mehr existiert. Aber hierüber könnte ich sehr viel schreiben, zu meinem Bedauern, da das schwedische Modell früher ein weltweites Beispiel war.

    SvaraRadera